Lagenspiel und Lagenwechsel

Lagenspiel und Lagenwechsel sind ein bedeutendes Thema beim Geige lernen. Wenn wir von Lagen sprechen, meinen wir Finger-, Hand- und Armstellungen, die dazu dienen die Saiten stärker zu verkürzen. Um eine höhere Lage zu erreichen, wird die Hand entlang des Griffbretts in Richtung Steg geführt. Kurz zusammengefasst, wird das Spiel in den Lagen auf Streichinstrumenten aus 3 Gründen benutzt, und zwar

Die Lagen werden in der Geigendidaktik durchnummeriert. Die erste Lage ist jedem Anfänger bereits nach wenigen Unterrichtsstunden geläufig. Die zweite Lage erreicht man, indem man den ersten Finger dort positioniert, wo in der ersten Lage üblicherweise der zweite Finger gegriffen wird. Die dritte Lage dort, wo der dritte Finger in der ersten Lage gegriffen wird. Es geht somit um das schrittweise Verschieben der Hand um Halb- oder Ganztonschritte. Das Schema wird deutlich, wenn man folgendes Notenbeispiel, das Fingersätze für die ersten vier Lagen zeigt, betrachtet:

Regelmäßig werden auf der Geige 10-12 Lagen benutzt. Die höchsten Lagen sind vor allem für die virtuose Violin-Literatur bedeutend. Lagen und Lagenwechsel werden im Notentext nicht explizit bezeichnet; sie ergeben sich vielmehr aus den Fingersätzen, die der Geiger üblicherweise selbst in die Noten schreibt (bei Anfängern unternimmt dies der Geigenlehrer). Lagenwechsel und Lagenspiel sind, wie Fingersätze insgesamt, stets eine individuelle Angelegenheit und ein wichtiger Aspekt der klanglichen und interpretatorischen Gestaltung.

Lagenwechsel – HowTo

Der erste Lagenwechsel, den ich meinen Schülern auf der Geige beibringe, ist ein Lagenwechsel von der ersten in die dritte Lage, der beim Spielen der D-Dur-Tonleiter über zwei Oktaven benötigt wird; konkret handel es sich dabei um folgenden Ausschnitt der Skala:

Für Anfänger stellen sich bei einem solchen Lagenwechsel zunächst 3 Probleme:

Diese 3 Problemstellungen sind in Teilschritten systematisch zu bewältigen. Nach dem folgenden oder einem ähnlichen Schnittmuster kann übrigens ein Großteil aller Lagenwechsel bewältigt werden.

Distanzen ausloten – Finger auswechseln

Durch das Auswechseln des Fingers gewöhnen wir die Hand und den Arm an die neue Lage:

Wichtig bei dieser Übung ist es, die Handwinkel und die Fingerstellung des Daumens beizubehalten (insbesondere bei Tonhöhenkorrekturen soll das Verhältnis zwischen Daumen und gegriffenem Finger nicht geändert werden). Wenn man sich an seinen Mathematik-Unterricht in der Schule erinnern möchte, wäre die Parallelverschiebung dafür ein passendes Bild. Der einzige Winkel, der sich bei dieser Bewegung ändern sollte, ist der Winkel zwischen Unter- und Oberarm.

Der Druck beim Gleiten

Der Druck beim Gleiten soll beim Lagenwechsel deutlich herabgesetzt werden, d. h. die Saite soll während der Bewegung nicht vollständig auf das Griffbrett gedrückt werden. Nur so können unhörbare und geschmeidige Lagenwechsel verwirklicht werden.

▶ Tipp: Lagenwechsel sind aufgrund dieser gezielten Druckreduktion übrigens ein hervorragendes Mittel, um die Hand beim Geige spielen nachhaltig locker zu bekommen.

Bei folgender Übung soll in erster Linie auf die Druckreduktion beim Gleiten geachtet werden. Es ist vorteilhaft, die Bewegung zu nächst sehr langsam und kontrolliert auszuführen, um die Trefferquote rasch zu verbessern:

Natürlich kann ich an dieser Stelle den Druckunterschied zwischen der Gleitphase und dem „normal“ gegriffenen Ton nicht physikalisch quantifizieren (obwohl dies im Unterricht bei mir tatsächlich eine Frage ist, die nicht ganz selten gestellt wird), aber folgendes Zahlenspiel hat einigen meiner Schülern geholfen:

Normal gegriffener Ton = 100%
Gleitphase beim Lagenwechsel = 20%

Handstellung in der Ziellage finden: die Stützfinger-Methode

Vor allem bei Lagenwechseln, bei denen von dem einen auf den anderen Finger gewechselt wird, ist es mitunter notwendig, die Fingerstellungen bewusst an die Ziellage anzupassen. Bei unserem Beispiel (dem Ausschnitt der D-Dur-Tonleiter) wird dies vor allem bei der Abwärtsbewegung virulent, bei welcher der 1. Finger sowie der Daumen nach dem Lagenwechsel in die erste Lage häufig zu nahe an den zweiten Finger rutschen – das gefährdet die Intonation in der ersten Lage und steht der Bewegungsökonomie im Wege:

Um solche Probleme zu bewältigen, wird häufig die Stützfinger-Methode vorgeschlagen,. Sie hilft dabei, bereits beim Gleiten die Fingerstellung der Ziellage vorzubereiten und die Hand stabil zu halten.

Die einzige Stützfinger-Regel lautet: Der alte (zuvor gegriffene) Finger führt die Hand in die neue Lage, nachher wird der neue Finger gegriffen.

Eine Stützfinger-Übung für die Abwärts-Bewegung in der Tonleiter (Lagenwechsel von der dritten und die erste Lage) könnte folgendermaßen aussehen:

In weiterer Folge kann der Stützfinger nach und nach zeitlich verknappt werden. Ziel ist es, den Stützfinger unhörbar zu machen: In der letzten Notenzeile sollen der erste und der zweite Finger (der erste Finger in der Klammer wird zwar gegriffen, klingt aber nicht) so gut wie synchron aufgesetzt werden:

Stützfinger-Übungen dieser Art können für viele Lagenwechsel eine große Hilfe sein und sollten jedem Geiger zur Routine werden.