Der Bogengriff ist eine der größeren Herausforderungen beim Geige lernen. Eine flexible Haltung des Bogens bildet eine wichtige Grundlage für zentrale Aspekte der Violintechnik – etwa der Klangproduktion, der Kontrolle der Artikulation oder der Bewältigung spezieller Stricharten.
▶ Tipp: Auch wenn so mancher Aspekt der Bogenhaltung sich für Anfänger nicht auf den ersten Blick erschließt, ergibt es wenig Sinn, auf scheinbar einfachere Lösungen zu setzen. So ist beispielsweise der häufig von Anfängern als stabiler empfundene durchgestreckte Daumen ein Hindernis für das spätere Erlernen des Fingerstrichs.
Die Stellung und Haltung der Finger beim Bogengriff sollte nicht nur zu Beginn des Unterrichts, sondern dauerhaft im Blick behalten werden. Das ist – auch angesichts der individuellen Gegebenheiten der Hand des jeweiligen Spielers – notwendig, um die Bogentechnik beständig weiterzuentwickeln und zu optimieren.
Der Daumen und der Zeigefinger bilden einen lockeren Kreis. Der Daumen ist abgewinkelt und berührt mit der Fingerkuppe das dritte Glied des Mittelfingers:
▶ Tipp: Man kann diese ersten Schritte zunächst mit einem Bleistift ausführen. Dieser ist – anders als ein beim Frosch gegriffener Geigenbogen – nicht kopflastig und erlaubt es jedenfalls, die Finger entspannt zu halten.
Wir öffnen den Kreis einen Spalt weit und greifen die Bogenstange (bzw. den Bleistift) mit der Fingerkuppe des Daumens und der Kerbe zwischen dem zweiten und dritten Glied des Mittelfingers. Daumen und Mittelfinger haben die Funktion eines Drehpunktes beim Bogengriff. Außerdem wird mit diesen zwei Fingern die Kantung des Bogens kontrolliert. Der Ringfinger ruht entspannt neben dem Mittelfinger:
Der Zeigefinger berührt die Bogenstange (bzw. den Bleistift) mit dem zweiten Fingerglied. Er hat (gemeinsam mit dem Daumen als Drehpunkt) die Funktion, Kraft auf die Bogenstange zu übertragen. Dies braucht man etwa, um laut zu spielen.
Der kleine Finger findet, ebenfalls in der Grundstellung abgewinkelt, auf der Bogenstange seinen Platz. Der kleine Finger hat (gemeinsam mit dem Daumen als Drehpunkt) die Funktion, die Bogenstange zu entlasten. Dies braucht man etwa, wenn man den Bogen von der Saite abhebt.
Die Hand wird beim Spielen stets leicht nach innen gedreht (Pronation), sodass der Spieler auf die volle Fläche des Handrückens blicken kann. Erst diese Drehung erlaubt die Kontrolle des Bogendrucks durch den Zeigefinger:
Für den Anfang empfehle ich, da dies die Kontrolle des Bogens ein wenig erleichtert, eine etwas höhere Position der Hand auf der Bogenstange als dies in vielen Geigenschulen zu lesen ist: Der Daumen befindet sich in der Mitte des Daumenleders, der Zeigefinger bei der Wicklung und der kleine Finger über dem Auge (siehe auch ➥Aufbau der Geige). Dies sind aber – abhängig von der Anatomie der Hand – nur ungefähre Positionen. Jedenfalls sollten die Finger der Hand nicht „aneinander kleben“. Zwischen den Fingern sollte ein kleiner Abstand bestehen.
Bei der Streichbewegung wird die Flexibilität der Finger gefordert. Prinzipiell ist für alle Gelenke beim Bogengriff zunächst auf eine Mittelstellung zu achten: Die Finger sollten möglichst rund auf bzw. um die Bogenstange greifen, die Fingergrundgelenke sollten in beide Richtungen noch bewegt werden können. Durchgestreckte Fingergelenke sollten weitgehend vermieden werden, da die Hand durch den Verlust dieser muskulären Kontrolle unbeweglich wird.
Eine Ausnahme bildet der kleine Finger, der beim Streichen im obersten Drittel des Bogens gestreckt wird bzw. – abhängig von der Anatomie der Hand – die Bogenstange sogar verlässt (tatsächlich wird er an dieser Bogenstelle nicht vermisst):
Beim Aufstrich muss der kleine Finger allerdings wieder seinen angestammten Platz finden und sollte etwa ab der Mitte des Bogens wieder abgewinkelt werden.
Vielen Anfängern rutscht der kleine Finger dabei von der Bogenstange. Hilfreich für die Stabilität des kleinen Fingers ist in solchen Fällen eine kleine Haltungskorrektur, bei welcher der kleine Finger leicht nach innen versetzt wird, sodass Ringfinger und kleiner Finger sich mit Druck und Gegendruck begegnen:
Bei einer korrekten Kantung des Bogens – die Schwerkraft hilft mit – erlaubt diese Fingerstellung den „Zaubertrick“, den Bogen ohne Daumen „schweben“ zu lassen:
Dies trainiere ich regelmäßig mit Schülern, die mir von entsprechenden Schwierigkeiten berichten.
▶ Tipp: Häufig ist bei Karbonbögen die Lackierung der Bogenstange am Frosch deutlich glatter als bei herkömmlichen Holzbögen. Zumindest bei günstigen Modellen kann man die Lackierung beim Frosch mit einem sehr feinen Schleifpapier ein wenig anrauen.